Ein Kippbild
(Szene, in der Mimiko nicht in der ersten Nacht schon verschwunden
ist, sondern mit abhaut und im Wald eine Rampe für die Hunde baut)
Und dann legte sie los: Man bräuchte nicht nur ein
Stützsystem. Wir bräuchten auch eine Visualisierung des
Tunnelschachtes oberhalb, denn niemand sollte auf dem Hohlraum
herumlaufen. Vorsichtshalber. Man könnte jetzt die Decke stützen,
müsse aber auch die Wände stützen. Wenn man die Tunneldecke
punktuell gegen das Einstürzen sichere, müsste man auch eine Plane
spannen, unter den Stützen, damit nicht Erde herab rieseln könnte.
Am besten wäre ohnehin eine lückenlose Verschalung des vorderen
Teils. Ast an Ast. Oder noch besser. Brett an Brett. Um Bretter zu
sägen, bräuchte man eine längere Säge. Alma wüsste bestimmt was
für eine. Oder Freigunda. Vielleicht eine, mit der zwei Mädchen
gleichzeitig sägen könnten. Eine links, eine rechts. Auf jeden Fall
benötigte man etwas, um den Hunde den Zugang zum Trichter zu
erleichtern bzw. erst einmal zu ermöglichen. Sie habe zuerst an
einen Flaschenzug gedacht, mit einem Bauchband, wo die Hunde hinein
gehängt werden. Aber dann müsste man ständig Hunde hoch und runter
ziehen. Und wenn sie doch springen, können sie sich verletzen. Wir
bräuchten eine Möglichkeit, wie die Hunde den Höhenunterschied von
bestimmt drei Metern selbst bewältigen konnten. Eine Hundetreppe,
ein Aufschüttung mit Sand, wie eine steile Rampe. So könnten sie
allein in den Wald, wenn sie mal mussten. Aber so konnten sie auch
weglaufen. Andererseits, warum sollten sie überhaupt weglaufen?
Vielleicht wäre das alles auch zu aufwendig. Wir würden ja nur zwei
Wochen hier sein.
Mimiko redete und redete. Was hatte sie am Anfang
gesagt? Sie hätte über ein bisschen was nachgedacht? Das schien mir
ein bisschen untertrieben zu sein.
Mimiko war nur still, wenn sie ihren Sprung wiederholte,
um einen weiteren Ast zurecht zu kürzen. Dann verwandelte sie sich.
Es war fein und kunstfertig, wie sie sich bewegte. Die Vorstellung
sich zu bewegen schien alle Enden ihres Körpers zu erreichen. Wenn
ich mir vorstellte, wie meine Hand sich zu bewegen hatte, blieb die
Idee auf halber Strecke hängen. Meine Hände waren zu weit entfernt
von meiner Eleganz.
In ihrem Monolog war kaum Platz für eine Frage gewesen
und wenn sie den Ast zerteilte, war ich wie gebannt davon. Das war
der falsche Moment zum fragen. Doch kaum hatte sie tief ausgeatmet,
ging es weiter: die Hunde, die Bretter, die Decke, die Äste, die
Drainage, ein Ablaufgraben.
„Du
hast mir zugehört. Ich kann sonst gar nicht denken. Alles ist
blblblblbl in meinem Kopf.“ Sie fuchtelte mit ihrer Hand vor ihrem
eigenen Gesicht herum. „Ich kann nur nacheinander denken, wenn ich
drüber rede.“ Sie lächelte. Wenn sie still hielt, war sie
wirklich ganz fein. Ein Gesicht, dass auf in so ein schickes
Medaillon gehört. Eins zum Aufklappen.
„Blblblblbl“,
wiederholte sie und ihre Zunge bimmelte in ihrem Mund hin und her.
Sobald sie redete war es vorbei mit Eleganz. Sie war ein Kippbild
zwischen Kind und Frau. Vergangenheit und Zukunft teilten sich ein
Gesicht.